Der aktuelle Stadtreformer-Film „Neue Hoffnung für Genschers Heimat“ veranschaulicht wunderbar, wie das Engagement weniger Menschen eine große positive Veränderung in einer Stadt lostreten kann. Auch ich persönlich durfte bei einer solchen „Wende“ dabei sein. Mein erstes Engagement in den neuen Bundesländern war Mitte der 90er Jahre. Etwa acht Jahre lang investierte ich viel Zeit und Kraft, um in Bitterfeld eine Gemeinde von jungen Leuten mit aufzubauen.
Hoffnungslosigkeit hatte sich breit gemacht
Die vorherrschenden Probleme der Stadt waren allgegenwärtig: Hoffnungslosigkeit, eine hohe Selbstmordrate und Arbeitslosenquote. Viele Firmen kämpften um ihre Existenz. Das wirkte sich auch auf das geistliche Leben aus. Bei meiner ersten Predigt in Bitterfeld fand ich ein Häufchen Menschen in einem elenden Zustand vor: Zwölf Christen und Bedürftige aus der Stadt sowie ein entmutigtes, frustriertes Pastoren-Ehepaar, das seit ca. drei Jahren dort im Einsatz war. Die beiden baten mich, ihnen zu helfen und sie ein Stück ihres Weges zu begleiten.
Für Gott ist nichts zu trostlos
Auf dem Heimweg spürte ich einen deutlichen Widerwillen. Zu trostlos, zu hoffnungslos erschien mir die Situation. Bis der Heilige Geist deutlich zu mir sprach und mir klar machte: Wenn ich mir hierfür zu schade bin, brauche ich auch keine größeren Aufgaben mehr in Angriff zu nehmen. – Ich muss gestehen, dass er mir damit enorm bei der Entscheidungsfindung geholfen hat. Mit neuem Elan setzte ich mich fortan gründlich mit der Stadt Bitterfeld und ihrer Geschichte auseinander.
Mysteriöse Todesfälle
Auffallend waren die vielen tödlichen Unfälle, die sich jede Woche ereigneten. Allein an einer unauffälligen Stelle waren innerhalb weniger Jahre 16 Leute gestorben. Bei unseren Nachforschungen fanden wir heraus, dass nicht weit davon entfernt Satanisten ihre Sitzungen in einer alten Villa abhielten.
Während die Jugendbewegung stärker wuchs und aufblühte, kam die 16. Person an besagter Stelle ums Leben: Eine Frau, die Mitglied dieser Satanistengruppe gewesen war. Darauf hin rief einer von ihnen beim Pastor an: „Die Geister, die wir riefen, bekommen wir nicht mehr los. Könnt ihr zu uns kommen und das Haus frei beten?“ Wir sagten nur unter der Bedingung zu, dass sie vom Satanismus abließen. Sie willigten ein und wir erlebten einen großen Durchbruch in der geistlichen Welt.
Botschaften der Hoffnung brachten weitere Durchbrüche
Von Anfang an achtete ich akribisch auf die Inhalte der Predigten und Liedtexte in der Jugendgemeinde. Mir war klar: Es mussten christliche Impulse der Hoffnung, des Lebens und der Zuversicht sein. Nur so konnte eine entsprechende Atmosphäre entstehen, die sich bald ausbreiten und materialisieren würde. Auch Jesus bekämpfte Hass mit Liebe in Wort und Tat. Zahlreiche seiner Botschaften sind von diesem gegensätzlichen Geist geprägt, z. B. „Liebet eure Feinde“ oder „wer der Größte sein will, sei euer Diener.“
Das Negative bekämpfen, indem wir Positives säen
Oftmals beobachte ich, dass sich Menschen hilflos gegen Probleme stellen und sie dadurch aufzuhalten suchen. Viel wirksamer aber finde ich das folgende Prinzip: Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir in der gegenteiligen Gesinnung antworten. Im Büro, wenn eine depressive Stimmung um sich greift, genau wie an der Supermarktkasse, wenn Zeitdruck und Anspannung den Menschen förmlich ins Gesicht geschrieben sind. Ehrliche Ermutigung oder das laute Lachen eines Kindes können Wunder wirken und die bedrückende Atmosphäre aufbrechen.
Der Dünger des gegensätzlichen Geistes
Unsere Jugendbewegung in Bitterfeld jedenfalls war inzwischen auf mehr als 70 junge Leute gewachsen. Sie versammelten sich in einer modernen, zeitgemäßen Form und nahmen die neuen Impulse dankbar auf. Bald schon konnten wir mitansehen, wie sich immer mehr von ihnen positiv entwickelten.
Im Umfeld kamen auch viele Musiker zum Glauben. Sie gründeten eine herausragende Band mit dem bezeichnenden Namen „Dry Bones Can Dance“. Ihre Botschaft: Wir können tanzen, weil wir Hoffnung haben. Im Gottesdienst spielten sie ausschließlich Lieder des Glaubens und der Zuversicht. Viel Positives war in Bewegung und die Bemühungen des Pastors von Erfolg gekrönt.
Es braucht nur eine kleine Gruppe von Menschen, die anders denkt, redet und handelt
Das alles ist für eine Zeit lang prima gelaufen. Die Gemeinde – kraftvoll und motiviert – konnte bald in ein größeres Gebäude ziehen und eine Kneipe mit Livemusik eröffnen. Damals kamen sogar Mitarbeiter der Stadt auf den Pastor zu. Sie fragten ihn, ob er über sein kirchliches Engagement hinaus Einfluss auf die junge Generation der Stadt nehmen wolle.
Dann der Bruch. Im Gegensatz zu Halle, wo sich die Bewegung stetig weiterentwickelte, kam es in Bitterfeld zu einem äußerst schmerzlichen personellen Wechsel. Aus verschiedenen Gründen konnte ich mein Mandat nicht weiter führen. Die Gruppe gibt es heute zwar immer noch, hat sich aber als Bewegung nicht weiterentwickelt. Ansonsten hätte sie bestimmt enorme Auswirkungen auf ihre Stadt gehabt.
Dennoch lernte ich durch meine Erfahrungen in Bitterfeld folgende wichtige Lektionen:
1) Eine Bewegung von nur wenigen Menschen kann Tod und Hoffnungslosigkeit in ihrem Umfeld überwinden.
2) Menschen können dadurch eine neue Perspektive für ihr persönliches Leben in ihrer Stadt finden.
3) Dann fangen sie an, von einer guten Zukunft zu träumen. Und packen diese Zukunft an, indem sie z. B. eine Firma oder einen Sportverein gründen, ein Haus bauen oder renovieren.
Einer Stadt kann wieder Leben eingehaucht werden, indem man aus dem Geist Gottes heraus Zuversicht für ihre Menschen entwickelt. Was durch einen Pastor in Bitterfeld angeregt wurde, kann und soll durch unsere Stadtreformation breitflächig gestreut werden. Im großen Stil wollen wir diese Lebensart säen. Deshalb vernetzen und ermutigen wir unsere Stadtreformer und helfen ihnen auch über Hürden hinweg.