Wie ich darauf komme? Meine provokante These lautet: Es entspricht nicht dem Schöpfungsgedanken Gottes, dass statistisch gesehen nur etwa zehn Prozent der erwerbstätigen Deutschen selbständig sind. Die Tatsache, dass wir zu Gottes Ebenbild geschaffen sind, heißt auch, dass es zutiefst in uns steckt, selbst schöpferisch tätig zu sein. Wie auch immer das aussehen mag im Alltag. Daher behaupte ich: Alle Menschen haben „Unternehmergene“, mit denen sie Neues schaffen können.
„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ – Wo bleibt Raum für das Schöpferische?
Meine persönliche Geschichte untermauert diese These: Viele Jahre war ich als angestellter Pastor einer Gemeinde tätig, die Teil eines Bundes war. Als eine Art von Verein organisiert, hatte dieser Bund 50-60 Ortsgruppen. Obwohl ich von meiner Ortsgemeinde angestellt und bezahlt wurde, war ich rechtlich mit dem Gesamtverein verbunden.
Dieser Gesamtverein war in vielerlei Hinsicht der Tradition verhaftet. Wir in unserer Gemeinde aber wollten neue, innovative Wege gehen, was sich auch in einem geänderten Namen ausdrückte. Selbstredend, dass Auseinandersetzungen und Diskussionen die Folge waren, bis schließlich der Vorstandsvorsitzende dem Ganzen ein Ende machte mit dem folgenden Argument: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!“
Wirtschaftlich ins kalte Wasser gesprungen
Nach der ersten Aufregung wurde mir klar: Genau genommen hatte er hat recht. Ich war in einem abhängigen Arbeitsverhältnis unter diesem Vorstand tätig und hatte mich dadurch auch an seine Beschlüsse und Gepflogenheiten zu halten. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich zügelte meinen Gestaltungsdrang oder ich löste mich von diesem Bund. Im Jahr 1992 machte ich mich schließlich als Pastor selbständig und bat meine Gemeinde, mir einen Honorarvertrag zu geben.
Zum ersten Mal musste ich mir nun über Kranken- und andere Versicherungen Gedanken machen. Oder was aus meiner Rente werden wird. Oder wie ich an genügend Aufträge komme? – Als früherer Arbeitnehmer war das alles für mich so geregelt wie selbstverständlich. Hatte ich doch immer meinen Lohn bekommen, egal was, wie und wie viel ich gearbeitet hatte, ob ich krank war oder nicht. Das Risiko hatte immer ein anderer getragen.
Der Prozess raus aus dem Kokon: schmerzhaft, aber freisetzend
Nun war ich zwar freier, aber auch eigenverantwortlicher. – Zugegeben, kein leichter Prozess, der aber vieles in mir freigesetzt hat. Nun, wo kein anderer mehr für mich bezahlte, entstand ein ganz neues Bewusstsein von Wirtschaften und Saat und Ernte. Ich fing an zu überlegen, wie Gott sich das eigentlich gedacht hatte.
Mir wurde klar: Eine riesige Gruppe von Angestellten hat heute gar keine Ahnung vom selbständigen Leben. Grob gesprochen beschäftigen laut Statistik von den oben genannten zehn Prozent der Selbständigen nur etwa die Hälfte eigene Mitarbeiter. Fünf Prozent beschäftigen also 95 Prozent der Erwerbstätigen. Wirtschaftlich geht es uns zwar gut. Doch ich behaupte, eine solch hohe Anzahl von abhängig Beschäftigten ist weder volkswirtschaftlich gesund noch entspricht sie dem biblischen Menschenbild und der göttlichen Wirtschaftsordnung.
Der Mensch: Nur Bewahrer oder auch Gestalter?
Ist es nicht so, dass Gott den Menschen nicht nur zu einem Verwalter gemacht hat, sondern vielmehr zu einem Gestalter? Gott hat ja nicht nur die Aufgabe der Bewahrung der Schöpfung gegeben. Vielmehr lautete sein Auftrag auch: Seid fruchtbar und mehret euch und füllt die Erde. Dazu braucht es unternehmerisches Handeln, Saat und Ernte.
Nicht die ganze Erde war schon ein Paradies, sondern nur ein geographisch klar begrenztes Gebiet, aus dem heraus es die ganze Erde zu füllen galt. Und hier steckt ein göttliches Prinzip: Die Grundlagen meines Wirtschaftens habe ich zur Verfügung gestellt bekommen. Jetzt liegt es an mir, die Erde fruchtbar zu machen.
Das Schöpferische in uns wird erst sichtbar, wenn wir etwas erschaffen
Das Grundgen eines Unternehmers steckt also in jedem von uns. Es ist in uns angelegt. Dadurch sind wir nicht nur Verwalter, denen etwas anvertraut ist und die dafür sorgen, dass es so bleibt. Jeder sollte vielmehr wirtschaftlich aktiv sein. Dies meine ich im Sinne des eigenverantwortlichen Handelns. Doch aufgrund von mehreren Vorfahrengenerationen, die überwiegend abhängig in Lohn und Brot standen, sitzt die Angestelltendenke tief. Das Unternehmergen muss in so manchem erst wieder frei gesetzt werden.
Laut Römer 1, 20 wird das unsichtbare Wesen Gottes in seinen Werken sichtbar. Wenn wir in seiner Ebenbildlichkeit geschaffen sind, bedeutet das: Auch das Schöpferische in uns erkennt man erst an unseren kreativen Werken. Diese gestaltende Kraft des Menschen zeigt, was er ist: Ein Musiker beispielsweise, der nicht nur Lieder nachspielt, sondern selbst kreiert. Was unsichtbar in ihm war wird sichtbar. Oder ein Handwerker, der nicht nur nachbaut, sondern selbständig gestaltet. In seinen Werken erkenne ich ihn als Handwerker.
Unser Auftrag lautet immer: „Mach was draus!“
Viele Menschen haben nicht mehr die Gelegenheit, sich in ihren Werken zu erleben und zu spüren. Stattdessen sind sie in willkürliche Prozesse hineingenommen, verwalten und reproduzieren im Grunde die Werke, die ein anderer hervorgebracht hat. Dies aber beraubt dem Menschen Teile seiner Würde und Identität, weil er seine unternehmerische Seite nicht ausleben kann. Im Zuge der Wirtschaftsentwicklung hat man ihm das über die Jahrhunderte abgewöhnt.
Gänzlich versklavt und ihrer Würde beraubt waren die Israeliten. Nach 400 Jahren befreite Gott sie schließlich aus diesem Zustand und vertraute ihnen ein eigenes Land an. „Macht was draus!“ war Gottes Devise. Wie bei Adam und Eva sagte Gott auch hier: Dies ist mein Besitz, den ich euch anvertraue. Er gab ihnen die Chance des Neuanfangs und der Selbstverwaltung.
Doch Freiheit will gelernt sein
Als Stadtreformer helfen wir mit, dass sich wieder die schöpferischen Eigenschaften eines Menschen entwickeln können. Dazu bieten wir den Rahmen sowie Trainings, Motivation, Inspiration, Ermutigung und Gelegenheiten. Wenn neues Handeln so manch eingefahrene Struktur aus den Angeln hebt, ist es gut, sich mit Gleichgesinnten verbunden zu wissen.
Stimmt, aber machmal hat man als Angestellter Freiräume um kreativ und/oder schöpferisch auf anderen Gebieten zu sein, die man als Selbstständiger, oft aus Zeitmangel, nicht hat. Wichtig wäre, dass wir auf Gott hören, was wir vielleicht zu wenig tun. Danke für den Impuls!